Gesundheitssystem in Portugal

Die große Gesundheitsreform: Portugal organisiert sich neu
Seit Januar 2024 ist nichts mehr wie früher. Das portugiesische Gesundheitssystem wurde komplett umgekrempelt und in 39 lokale Gesundheitseinheiten (Unidades Locais de Saúde, ULS) neu organisiert.
Die fünf bisherigen Regionalverwaltungen? Geschichte. Jetzt vereint jede ULS Hausarztpraxen, Krankenhäuser und Langzeitpflege unter einem gemeinsamen Management.
Das Ziel klingt gut: weniger Doppeluntersuchungen, bessere Koordination zwischen den Ärzten. Ob das in der Praxis funktioniert, wird sich zeigen – erste Evaluierungen laufen bereits.
Neue Regeln für Touristen seit Dezember 2024
Jetzt wird es für dich interessant: Eine Gesetzesnovelle vom Dezember 2024 hat den bislang nahezu freien Zugang zum portugiesischen Gesundheitssystem für nicht in Portugal lebende Ausländer beendet.
Konkret heißt das: Als Tourist musst du jetzt – abgesehen von echten Notfällen – eine private Krankenversicherung nachweisen, sonst wird’s richtig teuer.
Die Regierung will damit den missbräuchlichen Gesundheitstourismus stoppen. Für dich bedeutet das: Eine gute Auslandsreisekrankenversicherung ist nicht mehr nur empfehlenswert, sondern praktisch unverzichtbar geworden.
Die Kosten explodieren
Portugal gibt immer mehr für Gesundheit aus: 2.733,90 Euro pro Kopf waren es 2024 – über 8 % mehr als 2023. Insgesamt flossen 29,2 Milliarden Euro ins System, was 10,2 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht.
Zum Vergleich: 2017 waren es noch rund 2.600 Euro pro Person. Diese Steigerung ist ein klares Zeichen dafür, dass das System unter enormem Druck steht.
Private Krankenversicherungen boomen
Kein Wunder, dass immer mehr Portugiesen auf private Zusatzversicherungen setzen. Ende 2024 hatten bereits rund 4 Millionen Menschen eine private Krankenversicherung – doppelt so viele wie vor 15 Jahren. Die Branche rechnet bis 2033 mit jährlichen Prämiensteigerungen von durchschnittlich 9,5 %.
Der Grund ist simpel: Die Wartezeiten im öffentlichen System werden immer länger, und wer es sich leisten kann, weicht auf private Anbieter aus.
Personalmangel wird zum Albtraum
Das portugiesische Gesundheitssystem ächzt unter Personalmangel. Die Zahlen sind alarmierend:
- 1,56 Millionen Patienten haben keinen zugewiesenen Hausarzt (Stand: März 2025)
- 2024 wurden 17,9 Millionen Überstunden geleistet – Kosten: 465 Millionen Euro
- über 2.700 Ärzte haben zwischen 2022 und 2024 das Land verlassen
In den Notaufnahmen entstehen teilweise Wartezeiten von über 30 Stunden. Mehrere Notfallstationen mussten zeitweise schließen, weil schlichtweg das Personal fehlte.
Gewalt gegen Gesundheitspersonal nimmt zu
Ein trauriges Kapitel: 2024 wurden mehr als 2.500 Gewaltvorfälle gegen Gesundheitspersonal gemeldet – 9 % mehr als 2023. Darunter waren ca. 1.700 psychische und 580 physische Übergriffe. Die Folge: 1.185 zusätzliche Fehltage in einem ohnehin überlasteten System.
Seit dem 18. April 2025 gilt in Portugal ein neues Gesetz, das härtere Strafen für Angriffe auf Polizei, Feuerwehr, Lehrkräfte, medizinisches Personal, Journalisten und andere öffentliche Bedienstete vorsieht. Solche Übergriffe gelten nun als Offizialdelikte, d. h., sie werden auch ohne Anzeige der Opfer strafrechtlich verfolgt.
Die Strafen reichen bis zu acht Jahre Haft bei schwerer Gewalt. Auch das Bewerfen von Einsatzfahrzeugen ist nun strafbar. Zudem sind Opfer künftig von Gerichtsgebühren befreit. Ziel ist ein verbesserter rechtlicher Schutz aller im öffentlichen Dienst Tätigen.
Digitalisierung als Hoffnungsträger
Ein Lichtblick: Portugal investiert massiv in die Digitalisierung. Über 80 % der öffentlichen Krankenhäuser bieten inzwischen Telekonsultationen an. Der Wiederaufbauplan stellt 300 Millionen Euro für digitale Gesundheitslösungen bereit.
Neue Regulierungen für Telemedizin sind bereits in Kraft und sollen Patientenrechte stärken sowie den Datenschutz gewährleisten.
Portugals Gesundheitssystem im internationalen Vergleich
Die Herausforderungen spiegeln sich auch in internationalen Rankings wider. Im World Index of Healthcare Innovation 2024 rutschte Portugal auf Rang 23 ab – der EU-Durchschnitt liegt bei Rang 17.
Auch im Numbeo Health Care Index 2025 steht das Land nur auf Platz 23 weltweit.
Was bedeutet das für dich als Tourist?
Deine Krankenversicherung in Portugal
- Als gesetzlich Versicherter:
Deine EHIC-Karte (auf der Rückseite deiner Versicherungskarte) gilt weiterhin für medizinische Notfälle in öffentlichen Einrichtungen. Aber Achtung: Die Definition von »Notfall« könnte strenger ausgelegt werden als früher. - Als privat Versicherter:
Mit deinem »Certificate of Entitlement« bist du weiterhin im ersten Monat abgesichert. Rechne mit folgenden Kosten:- Zahnarzt: ca. 40 Euro pro Behandlungsstunde
- Facharzt: ca. 60–90 Euro plus Material und Medikamente
- Auslandsreisekrankenversicherung wird zur Pflicht:
Angesichts der neuen Regelungen ist eine zusätzliche Reisekrankenversicherung praktisch unverzichtbar geworden. Gute Policen gibt es bereits ab 10 Euro pro Jahr – eine Investition, die sich lohnt.
Vor der Behandlung: Kostenübernahme klären
Informiere deine Versicherung vor jeder Behandlung telefonisch. Bei größeren Eingriffen frage nach einer direkten Kostenabwicklung mit dem Krankenhaus.
Die Struktur des portugiesischen Gesundheitssystems
Die ULS-Revolution hat das portugiesische Gesundheitssystem grundlegend verändert. Hier ein Überblick über die wichtigsten Strukturen – auch für dich als Besucher relevant:
Die 39 lokalen Gesundheitseinheiten (ULS)
Seit Januar 2024 ist Portugal in 39 Unidades Locais de Saúde (ULS) unterteilt. Diese lokalen Gesundheitseinheiten vereinen Hausärzte, Krankenhäuser und Spezialdienste unter einem Dach. Für dich heißt das: kürzere Wege und bessere Koordination zwischen den Behandlungen – zumindest in der Theorie.
Primärversorgung: Wo du als Erstes hingehst
Centros de Saúde sind die erste Anlaufstelle – vergleichbar mit deutschen Hausarztpraxen. Sie sind in folgende Typen gegliedert:
- USF (Unidades de Saúde Familiar) – moderne Familiengesundheitszentren:
- Modell A: klassisch mit festen Gehältern
- Modell B: leistungsbasiert, meist besser ausgestattet
- Modell C: privat betrieben, aber SNS-finanziert (neu seit 2024)
- UCSP – klassische Gesundheitszentren
- UCC – für gemeindenahe, integrierte Versorgung
Krankenhäuser: Von Basis- bis Spitzenmedizin
Die Krankenhauslandschaft ist dreistufig aufgebaut:
- Lokale Krankenhäuser: in jeder ULS integriert, für Standardbehandlungen
- Zentros Hospitalares: große Zentren mit spezialisierten Abteilungen, z. B.:
- Centro Hospitalar Universitário de Lisboa Central – 1.500 Betten
- Centro Hospitalar Universitário do Porto – 1.100 Betten
- Spitzenzentren: Drei Onkologie-Institute (IPO) in Lissabon, Porto und Coimbra für Krebsbehandlungen auf Weltklasse-Niveau
Für dich als Tourist besonders wichtig:
Die beste Versorgung findest du in:
- privaten Kliniken – moderne Ausstattung, kurze Wartezeiten
- großen öffentlichen Zentren in Lissabon, Porto, Faro, Évora und Portimão
- Universitätskliniken, wenn eine komplexere Behandlung nötig ist
Besondere Subsysteme
- ADSE – für 1,3 Mio. Staatsbedienstete
- SAMS – für Beschäftigte bestimmter Branchen
- Weitere branchenspezifische Systeme (Banken, Versicherungen etc.)
Diese sind für dich als Tourist nicht relevant, erklären aber, warum einige Portugiesen bevorzugt behandelt werden.
Gesundheitstipps für Portugal-Reisende
Impfungen
Pflichtimpfungen gelten nur für Madeira und die Azoren (Gelbfieber), wenn du aus einem Gelbfieber-Gebiet einreist. Ansonsten gelten die üblichen Empfehlungen: Tetanus, Diphtherie sowie Hepatitis A und B bei Langzeitaufenthalten.
Dengue-Fieber auf Madeira
Auf Madeira können tagaktive Mücken Dengue-Fieber übertragen. Schütze dich mit Moskitonetzen, Anti-Mückensprays und heller, langer Kleidung.
Essen und Trinken
Leitungswasser ist trinkbar. Bei heißem Wetter sei vorsichtig mit Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten – sie sollten gut durchgegart sein. Eis und Mayonnaise nur frisch und gut gekühlt genießen.
Apotheken und Medikamente
Öffnungszeiten und Verfügbarkeit
Portugiesische Apotheken (Farmácias) haben großzügigere Öffnungszeiten als in Deutschland – viele schließen erst um 19 Uhr. Das ist praktisch, wenn du nach einem Strandtag noch schnell etwas brauchst.
Am Wochenende und nachts findest du Notdienst-Apotheken über das grüne Kreuz-System: Ein leuchtend grünes Kreuz zeigt dir, welche Apotheke gerade Bereitschaftsdienst hat.
Preise
Hier kommt eine gute Nachricht: Rezeptfreie Medikamente sind deutlich günstiger als in Deutschland. Schmerzmittel, Erkältungspräparate und Magentabletten kosten oft nur die Hälfte. Auch Sonnencreme und andere Apothekenprodukte schonen dein Reisebudget.
Praktische Tipps
- Das Personal spricht oft etwas Englisch, besonders in touristischen Gebieten.
- Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten brauchst du ein portugiesisches oder EU-Rezept.
- Deutsche Medikamentennamen kennst du vielleicht unter anderen Bezeichnungen – lass dir helfen.
Notfall-Kontakte
- Notruf: 112 (kostenlos für Notarzt, Rettung, Polizei, Feuerwehr)
- Apotheken-Notruf: 118
- Deutschsprachige Ärzte: Aktuelle Listen findest du auf der Website der deutschen Botschaft in Lissabon
Ausblick: Was bringt die Zukunft?
Die Regierung plant weitere Reformen:
- Einführung einer Facharztausbildung »Notfallmedizin«
- Anreize für Hausärzte in unterversorgten Regionen
- Ausbau von Public-Private-Partnerships
- Digitale Gesundheitsanwendungen nach deutschem Vorbild
Ob diese Maßnahmen die aktuellen Probleme lösen können, bleibt abzuwarten. Für dich als Portugal-Fan gilt: Bleib informiert und sorge für eine gute Absicherung.
Fazit: Vorbereitung ist alles
Das portugiesische Gesundheitssystem durchläuft derzeit einen historischen Wandel. Als Tourist bist du davon direkt betroffen – eine gute Auslandsreisekrankenversicherung ist nicht mehr nur empfehlenswert, sondern praktisch Pflicht.
Trotz aller Herausforderungen bleibt Portugal ein wunderschönes Reiseziel mit einem grundsätzlich menschlichen und solidarischen Gesundheitssystem. Mit der richtigen Vorbereitung steht deinem Portugal-Aufenthalt nichts im Wege.
Letzte Aktualisierung: Juli 2025
Buchempfehlung
111 Gründe, Portugal zu lieben: Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt
von Annegret Heinold (Autor)
Wer denkt, Portugal sei nur ein zweit- oder drittklassiges Reiseziel, der liegt gehörig falsch. Dies zeigt Annegret Heinold in ihrem Buch 111 GRÜNDE, PORTUGAL ZU LIEBEN.